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brand:allgemein:holzfaserdaemmung

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brand:allgemein:holzfaserdaemmung [26.04.2024 15:04] (aktuell) – angelegt christoph_ziehr
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 +====== Holzfaserdämmung (Brandbekämpfung) ======
  
 +===== 1. Aufbau und Anwendungsbereiche von Holzfaserdämmung =====
 +
 +  * Holzfasern werden mit Zusatzstoffen zu Dämmstoffplatten verpresst.
 +  * Hauptbestandteil: Holzfasern von Weichhölzern wie Fichte, Kiefer, Tanne.
 +  * Hoher Harzanteil in den Holzfasern.
 +  * Brandschutzklasse B2 nach DIN 4102-1 bzw. Klasse E nach DIN-EN 13501-1 erreicht durch Zusätze wie Ammoniumsulfat und Borsalz. Zugabe von Bitumen, Paraffin, Latex für wasserabweisende Eigenschaft.
 +  * Herstellung der Platten durch Verpressen im Nass- oder Trockenverfahren.
 +  * Dämmstärke von bis zu 240 mm möglich.
 +  * Dämmlagen können mehrschichtig sein.
 +  * Gängige Bezeichnungen: WF für "wood-fibre", HFD für Holzfaserdämmung.
 +  * Anwendungsbereiche können sein:
 +    * Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) an der Außenfassade
 +    * Zwischen- und Aufsparrendämmung im Dachbereich
 +    * Innendämmung von Zimmer- oder Trockenbauwänden
 +    * Trittschalldämmung im Fußbodenbereich
 +
 +===== 2. Baurechtliche Grundlagen =====
 +
 +In Standardgebäuden wie Wohn- und Geschäftsgebäuden (ohne Erfüllung eines Sonderbautatbestandes) sind brennbare Dämmstoffe nur für bestimmte Anwendungsbereiche zugelassen. In landesspezifischen Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien können ggf. abweichende Regelungen vorliegen.
 +
 +Bei Standardgebäuden der [[wpde>Gebäudeklasse]]n 1 bis 3 ist eine Holzfaserdämmung für folgende Anwendungsbereiche zugelassen:
 +
 +  * Dach
 +  * Trennwände
 +  * Fassaden
 +  * Innenwände
 +  * Außenwände
 +
 +Bei Standardgebäuden der [[wpde>Gebäudeklasse]]n 4 und 5 ist eine Holzfaserdämmung in folgenden Anwendungsbereichen zulässig:
 +
 +  * Dachdämmung
 +  * Innenwände ohne brandschutztechnische Anforderungen
 +  * Außenwände unter bestimmen Voraussetzungen
 +
 +Bei **Sonderbauten** ist der Einsatz von brennbaren Dämmstoffen wie der Holzfaserdämmung grundsätzlich unzulässig.
 +
 +Wenn Gebäude nach der aktuellen //Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile und Außenwandbekleidungen in Holzbauweise// (MHolzBauRL, Oktober 2020) errichtet werden, sind dort bei vollständiger Anwendung des Regelwerkes nur **nichtbrennbare** Dämmstoffe in Bauteilen mit Anforderungen (Ziffer 3.4 MHolzBauRL) zulässig.
 +
 +===== 3. Herausforderungen und Gefahren =====
 +
 +  * Selbst eine einzelne Schraube kann Holzfaserdämmung durch Wärmeleitung innerhalb der Wand entzünden.
 +  * Glimmbrand kann unbemerkt bleiben und sich langsam ausbreiten (wenigen Millimeter pro Stunde), erzeugt [[cbrn:chemisch:klasse_2:stoffe:kohlenmonoxid|Kohlenmonoxid]].
 +  * [[cbrn:chemisch:klasse_2:stoffe:kohlenmonoxid|Kohlenmonoxid]] kann durch Öffnungen in den Wänden oder Diffusion Personen gefährden.
 +  * Möglichkeit einer (erneuten) Entzündung mehrere Stunden nach Brandentstehung oder Löschen.
 +  * Beobachtetes Wiederentzünden in Brandversuchen und Praxis bis zu zwölf Stunden nach Löschen.
 +  * Herausforderung: Früherkennung verbauter Holzfaserdämmstoffe im Gebäude.
 +
 +Hinweise auf verbaute Holzfaserdämmstoffe:
 +
 +  * **Holzbauweise**\\ Gekennzeichnet durch bspw. viel Sichtholz im Innenbereich, Passiv-Hausbauweise, Niedrigenergiehaus
 +  * **Gebäude nach 2010 erbaut**\\ Insbesondere ab 2010 werden Holzfaserdämmstoffe vermehrt eingesetzt
 +  * **Dachgeschossaufstockung /-ausbau**\\ Bei modernen Dachgeschossaufstockungen und -ausbauten kommt eine Holzfaserdämmung häufig auf Grund des geringen Eigengewichts und ggf. auch ökologischen Vorgaben zum Einsatz
 +  * **Meldebild „CO-Austritt“ mit erhöhten Messwerten, ohne erkennbare Quelle**\\ Hierbei ist im Rahmen der Erkundung nach Bauarbeiten innerhalb der letzten Stunden bis Tage zu fragen
 +
 +Verdachtsstellen an Wänden, Fassaden oder Dächern punktuell öffnen, um dahinterliegende Holzfaserdämmung zu kontrollieren. Schwelbrand innerhalb der Dämmung nicht zwingend durch [[allgemein:geraete:waermebildkamera|Wärmebildkamera]] oder Geruch wahrnehmbar.
 +
 +===== 4. Möglichkeiten der Brandbekämpfung =====
 +
 +  * Holzfaserdämmung ist wasserabweisend und dicht, daher im eingebauten Zustand fast unmöglich mit Wasser zu löschen.
 +  * Netzmittel oder Druckluftschaum verbessern den Löscheffekt nicht ausreichend.
 +  * Kontinuierliche Kontrolle und Bewertung der Löschmaßnahmen notwendig, um die geringe Wirksamkeit herkömmlicher Verfahren zu erkennen und Wasserschäden zu vermeiden.
 +  * Bei [[brand:dachstuhlbrand|Dachstuhlbränden]] frühzeitige Maßnahmen notwendig, um nicht betroffene Gebäudeteile vor Wasserschäden durch Löschwassereintritt zu schützen (Planen auslegen, Wassersauger einsetzen).
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 +==== 4.1. Vollständiger Ausbau der Dämmung ====
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 +  * Herstellerempfehlung: Betroffene Holzfaserdämmplatten vollständig entfernen.
 +  * Erfahrungen zeigen Einsatzdauer von über 24 Stunden für den Ausbau.
 +  * Vollständiger Ausbau erfordert erheblichen Personaleinsatz und Logistik.
 +
 +Es folgen Alternativen, die möglicherweise ressourcensparender sind.
 +
 +==== 4.2. Bildung von Schneisen ====
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 +{{ :brand:allgemein:holzfaserdaemmung:schneisenbildung.png?direct |Schneisenbildung und Teilausbau der Dämmung um den vom Brand betroffenen Bereich (Branddirektion München)}}\\
 +Abbildung: Schneisenbildung und Teilausbau der Dämmung um den vom Brand betroffenen Bereich (Branddirektion München)
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 +  * Brandereignis in Holzfaserdämmung kann durch Bildung von Schneisen lokal begrenzt werden.
 +  * Kräfteansatz geringer als beim vollständigen Ausbau der Dämmung.
 +  * Frühzeitiges Erkennen der Dämmung und Unwirksamkeit herkömmlicher Löschverfahren entscheidend.
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 +  * Identifizierung des betroffenen Bereichs durch punktuelle Öffnungen.
 +  * Bildung von Schneisen um den Brandherd herum mittels Rettungs- oder Kettensägen.
 +  * Ziel: Schaffung brandlastfreier Streifen zur Verhinderung der Brandausbreitung.
 +  * Kontrolle, dass kein weiteres Material im unbetroffenen Bereich in Brand gerät.
 +  * Grundsätzlich von vermutlich nicht betroffenen Bereichen zum Brandherd hin arbeiten.
 +  * Tragende Strukturen (z.B. Pfetten, Sparren) dürfen nicht geschwächt werden.
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 +  * Nach Bildung der Schneisen wird Dämmung um den betroffenen Bereich ausgebaut und kontrolliert ausglimmen gelassen.
 +  * Ressourcenintensiver Ausbau auf einen Teil der Dämmung begrenzt.
 +  * Ausgebaute Dämmstoffe müssen entfernt werden, um Wiederentzündung zu verhindern.
 +  * Voraussetzungen: Durchgehende Brandwache und CO-Monitoring, besonders bei teilweise bewohnten Gebäuden.
 +  * Sachschaden durch Schneisenbildung mag zunächst höher erscheinen, aber insgesamt geringer als bei großräumiger Entfernung der Dämmung oder Wasserschäden durch unwirksame Löschmaßnahmen.
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 +==== 4.3. (Teil-)Abriss ====
 +
 +  * Bei fortgeschrittenem Brandereignis kann (Teil-)Abriss des Gebäudeteils oder des gesamten Gebäudes die verhältnismäßigste Lösung sein.
 +  * Abstimmung mit Brandursachenermittlung und Sachversicherung vornehmen oder dokumentieren, wenn Gefahr im Verzug besteht.
 +  * Früher (Teil-)Abriss reduziert Einsatzdauer und Ressourcenbedarf erheblich.
 +  * Nach bisherigen Erkenntnissen lässt sich ein (Teil-)Abriss nach Vollbrandphase oft nicht mehr verhindern.
 +
 +==== 4.4. Abtransport und Lagerung von ausgebautem Material ====
 +
 +<WRAP center round important 100%>
 +Alle vom Brand betroffenen Holzfaserdämmplatten aus dem Brandobjekt entfernen, sonst Wiederentzündung sehr wahrscheinlich. Dies kann auch erst nach Stunden oder Tagen geschehen.
 +</WRAP>
 +
 +  * Ausgebautes, glimmendes Material sollte nicht in Haufen gelagert werden, um erneute Entzündung zu verhindern.
 +  * Haufen glimmender Holzfaserdämmplatten führten in der Vergangenheit wiederholt zu erneuter Entzündung.
 +  * Bei direkter Entsorgung in Containern zur Müllverbrennung ist die Gefahr der Wiederentzündung während des Transports zu beachten.
 +  * Möglichkeit der Begleitung des Transports durch Löschfahrzeuge ist zu prüfen.
 +  * Alternative: Ausbreiten der Dämmplatten im Freien am Ort des Ausbaus und kontrolliertes Löschen oder Ausglimmen, bevor der Abtransport erfolgt.
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 +===== 5. Einsatzmittel und Kompetenzen bei der Brandbekämpfung =====
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 +  * Schneiden von Schneisen und Teilabriss erfordern geeignetes Schneidgerät und entsprechende Kompetenzen.
 +  * **Tragwerksverlust vermeiden, der Einsatzkräfte gefährden könnte.**
 +  * Bei fehlenden Kompetenzen wird Fachberatung durch Bausachverständige, Baufachberater oder Zimmerer empfohlen.
 +
 +===== Quellenangabe =====
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 +  * {{ :brand:allgemein:holzfaserdaemmung:2024-01_fachempfehlung_brnde_holzfaserdmmung.pdf |Löschmaßnahmen bei Bränden von Holzfaserdämmung, Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft der Leiterinnen und Leiter der
 +Berufsfeuerwehren und des Deutschen Feuerwehrverbandes, Januar 2024}}
 +
 +===== Stichwörter =====
 +
 +Holzdämmung, Fassadenbrand
brand/allgemein/holzfaserdaemmung.txt · Zuletzt geändert: 26.04.2024 15:04 von christoph_ziehr